Kommunale Aktion Pflege und Versorgung

Zur Abmilderung des Pflege- und Versorgungsnotstandes

Im Online-Beteiligungsportal der Stadt Freiburg zum Beteiligungshaushalt 2023/ 24 wird darüber abgestimmt wofür die Stadt Freiburg Geld ausgibt. Das Portal bietet die Möglichkeit sich darüber zu informieren, wo gespart werden kann und wo investiert werden soll. Beteiligung findet auch durch eigene Beiträge statt. Unten findet sich der Beitrag „Kommunale Aktion Pflege“ (KAP), den Dr. Nils Adolph dort eingestellt hat, und über den hier abgestimmt werden kann. Darüber und über viele andere Beiträge kann vom 20. September bis zum 6. Oktober hier im Online-Forum geredet werden. Im Anschluss an den Online-Prozess finden erstmals auch Dialog-Treffen vor Ort am Freitag, den 4. November von 16 bis 20 Uhr und am Samstag, den 5. November von 10 bis 16 Uhr statt. Bitte beteiligen Sie sich.

Zusammenfassung

Einrichtung eines regelmäßig tagenden Netzwerkes „Kommunale Aktion Pflege“ (KAP) in dem vorhandene Ressourcen besser aufeinander abgestimmt, gemeinsame und effiziente Kooperations- und Koordinationsstrukturen aufgebaut und die Player miteinander verzahnt werden. Die KAP soll vom Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt koordiniert werden und als anfängliche finanzielle Ausstattung über ein Budget von €10.000 pro Jahr verfügen, über dessen konzertierte Verwendung sich die Teilnehmerinnen einigen müssen.

Begründung

Mit dem Pflegenotstand (analog dem Versorgungsnotstand) wird seit den 1970er Jahren der Personalmangel, vor allem in Pflegeinstitutionen aber auch in der ambulanten Pflege und der Versorgung von hilfsbedürftigen Menschen bezeichnet. Alle bisherigen Reformversuche erweisen sich als unzureichend. Das zeigt sich unter anderem an verwaisten Pflegebetten in Freiburg, Hilfsanfragen, die von ambulanten Pflegediensten abgewiesen werden und überfüllten Wartelisten bei den Nachbarschaftshilfen. Zuletzt versuchte das Bundesgesundheitsministerium mit einer „Konzertierte Aktion Pflege“ die angespannte Lage zu entschärfen. Im Ergebnis wurden jedoch bis Oktober 2021 nur 267 Fachkraft- bzw. 1.329 Hilfskraftstellen neu geschaffen. Sicher indes ist, dass mit dem Eintritt der Babyboomer Generation in die Hochaltrigkeit (Geburtsjahrgänge zwischen 1946 und 1964) sich der Notstand täglich weiter verschärft.

Richtungsweisend könnte die bislang tiefgreifendsten gesetzlichen Reform (PSG III) sein. Damit wurde die Verantwortung der Kommunen in der Pflege gestärkt. Unter anderem, indem man der Kommune die Sicherstellung der Versorgung übertrug, ihr mehr Steuerungsmöglichkeiten der niedrigschwelligen Angebote und Beratung vor Ort einräumte und den Aufbau von effizienten Kooperations- und Koordinationsstrukturen anregte.

Eine Kommunale Aktion Pflege (KAP) soll helfen, dass Freiburg diesen gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben noch besser gerecht werden kann. Die KAP hat zum Ziel die vorhandenen Ressourcen besser aufeinander abzustimmen. Sie soll den gemeinsamen Aufbau von effizienten Kooperations- und Koordinationsstrukturen vorantreiben und sie miteinander verzahnen. Nur zusammen können angemessene Antworten auf den Notstand formuliert werden. Anders gesagt: Nur wenn die gesamte wohnortnahe Beratungs-, Versorgungs- und Unterstützungslandschaft zusammenarbeitet, dann sind die bestmöglichen Bedingungen gegeben unter denen für pflege- und versorgungsbedürftige Menschen ein gelingendes Älterwerden (Verbleib im vertrauten Umfeld, selbstbestimmtes Leben) möglich ist. Die KAP soll vom Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt koordiniert werden. Als anfängliche finanzielle Ausstattung ist ein Budget von € 10.000 pro Jahr denkbar, über dessen konzertierte Verwendung sich die Teilnehmerinnen an der KAP einigen müssen.

Als erste Maßnahme der KAP schlage ich die gleichmäßige Verteilung von Gutscheinen für städtische Leistungen (Schwimmbad, Theater, VAG…) an die derzeit etwa 2.500 Menschen vor, die sich in der Nachbarschaftshilfe engagieren, wie zum Beispiel über das Helferportal unserer Sozialgenossenschaft. Das sehe ich als einen längst überfälligen Akt sozialer Anerkennung und Wertschätzung für ehrenamtlich Engagierte an, die sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen der unter der Corona-Pandemie gelitten hat.

Mein Vorschlag trägt zu einem zukunftsfähigen Freiburg bei, weil…

  • …die derzeit desolate Pflege- und Versorgungssituation die Schultern der jüngeren Generation beschwert.
  • …dem Pflege- und Versorgungsnotstand nur zusammen begegenet werden kann.
  • …die soziale Daseinsvorsorge, Sicherheit und Versorgung von Pflegebedürftigen in der kommunalen Verantwortung liegt.
  • …die Kommune ohne eine KAP ihre Möglichkeiten zur Koordination der bestehenden Hilfsangebote noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft hat und sich mitschuldig gemacht haben wird an den gut dokumentierten Missständen unter denen sowohl Helfer als auch Hilfsbedürftige leiden.
  • …die Kommune ein fachspezifisches Forum schaffen muß (wie sie es ja auch beim Beteiligungshaushalt tut), um ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
  • … zur Lösung des Notstands gezwungen ist, jeden innovativen Impuls und insbesondere die Impulse von den direkt Betroffenen aufzunehmen, zu prüfen und – insofern sie das Leid lindern – zu verstärken.
  • …die Kommunale Aktion Pflege ihre wichtigste Daseinsberechtigung direkt aus der demografisch vorgezeichneten Zukunft der Pflege- und Versorgungslandschaft erhält.

Stadt Freiburg am 29.9.2022

Hallo Nils, wir haben Ihre Anregung an das Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt weitergeleitet und von dort folgende Antwort erhalten:
Herzlichen Dank für Ihre fundierte und ausführliche Darstellung.
Das Amt für Soziales, insbesondere das Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt setzt sich in verschiedenen Bereichen für die Gewinnung von Pflegekräfte ein.
Das Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt organisiert beispielsweise mit anderen Akteuren Veranstaltungen (Arbeitsmarktkonferenz oder Infoveranstaltungen zur Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland), die die Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland zum Gegenstand haben.
Es gibt verschiedene Arbeitskreise, die vom Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt geleitet werden, bei denen die Themen Personalmangel in der Pflege, Pflegeausbildung und Pflegekräfte aus dem Ausland mit der Trägern in Freiburg diskutiert werden.
Zweimal jährlich findet unter dem Vorsitz von Herrn Ersten Bürgermeister von Kirchbach auch die Pflegekonferenz mit Vertreterinnen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich statt. Auch hier sind Strategien zur Bekämpfung des Fachkraftmangels in der Pflege regelmäßiges Thema.
Trotz all dieser Maßnahmen sind die kommunalen Einflussmöglichkeiten aufgrund bestehender gesetzlicher Regelungen begrenzt.
Daher danken wir Ihnen sehr für Ihr Votum, die kommunale Verantwortung zu stärken, um die wohnortnahe Pflegeinfrastruktur zu verbessern. Mehr: www.freiburg.de/senioren

Stephanie am 03.10.2022

Nicht zu vergessen ist: Es sind längst nicht nur alte Menschen, die Pflege brauchen, sondern auch viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen. Vom „Seniorenbüro“ werden diese jüngeren Menschen oft nicht erreicht, vom Mangel an Pflegekräften und passenden Unterstützungsmöglichkeiten betroffen sind wir aber ebenfalls. (Familienunterstützende DIenste der Lebenshilfe, des ABC etc. leisten aber gute Arbeit, das darf nicht vernachlässigt werden)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.